Mit der Entscheidung des saarländischen Landtages, das Kommunalwahlgesetz zu ändern, sind nun auch im Saarland die Weichen gestellt, dass Menschen mit gesetzlicher Betreuung an der Kommunal- und Europawahl am 26. Mai teilnehmen können.
Der Verein Miteinander Leben Lernen begrüßt dies als wichtigen ersten Schritt zur selbstbestimmten politischen Teilhabe für Menschen mit Behinderung, die längst überfällig sei: „Es war höchste Zeit, dass diese grundgesetzwidrige Situation durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aufgehoben wurde“ meint Traudel Hell von Miteinander Leben Lernen.
Bisher waren über 80.000 Bundesbürger von diesem wesentlichen Bürgerrecht ausgeschlossen, im Saarland betrifft es insgesamt 850 Menschen. Die Gruppe der Menschen mit gesetzlicher Betreuung wurden in ihrem Recht zur politischen Willensbildung in der Vergangenheit nicht ernst genommen, so MLL. Bereits mit der Unterzeichnung der der UN-Behindertenrechtskonvention vor 10 Jahren hat sich die Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung eines inklusiven Wahlrechtes verpflichtet, dort ist in Artikel 29 das Recht auf passives und aktives Wahlrecht gefordert.
„Es ist bedauerlich, dass das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden musste und nicht die Regierungsparteien selbst sich dafür stark gemacht haben, zumal die Umsetzung des inklusiven Wahlrechts im Koalitionsvertrag als Auftrag für diese Legislaturperiode auf der Agenda stand“ so Traudel Hell.
MLL kritisiert auch, dass ein echtes inklusives Wahlrecht mit der Entscheidung des Landtages noch nicht umgesetzt ist: nur wer bis zum 05. Mai bei der jeweiligen Wahlbehörde einen Antrag auf Eintrag in die Wählerliste stellt, darf auch wählen, also wieder einmal seien für Menschen mit Behinderungen weitere Barriere zu überwinden, eine Gleichbehandlung mit allen anderen Wahlberechtigten sei nicht gegeben.
In den meisten europäischen Ländern werde Demokratie in dieser Hinsicht ernst genommen, es gäbe dort keine Wahlrechtsausschlüsse. Das uneingeschränkte Wahlrecht sei ein Staatsbürgerrecht! MLL erwarte, dass nun auch zügig das Wahlrecht für alle auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werde.
Politische Teilhabe heiße auch mitbestimmen und mitgestalten. Dies könne ein Gewinn insbesondere auch auf kommunaler Ebene sein, wenn Menschen mit Behinderung aus der Gemeinde sich hier einbringen können, ihre Sicht der Dinge deutlich machen und ggf. auch – zukünftig wenn das passive Wahlrecht umgesetzt werden kann,- als Vertreter*innen für ihre Belange auf kommunale Ebene tätig werden oder sich auch für das Gemeinwohl in ihrer Gemeinde als politische Vertretung engagieren können.
Nun gelte es, im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahl die Informationsbedürfnisse der Menschen mit Handicap zu berücksichtigen, das betrifft auch die Bereitstellung barrierefreier Materialien sowie entsprechender Hilfsmittel zur Sicherung für eine selbstbestimmte Wahlhandlung.
Als ersten Schritt rät MLL alle betroffenen Menschen, sich in die Wählerlisten ihrer Gemeinde eintragen zu lassen. Das ist noch bis zum 5. Mai auf Antrag möglich.
Miteinander Leben Lernen e. V., Eschberger Weg 40, 66121 Saarbrücken;
traudel.hell@ mll-saar.de